Gesundheits­reformen

Der Begriff "Gesundheitsreform" wird in Deutsch­land seit den Debatten zur Einführung des Gesundheits­reform­gesetzes von 1989 ver­wendet.

Aufgrund dieses Gesundheitsreform­gesetzes vom 1.1.1989, dem Gesetz zur Struktur­reform im Gesundheitswesen (GRG), wurde das Kranken­versicherungs­recht, das zuvor Bestandteil der Reichs­versicherungs­ordnung (RVO) von 1911 war, in das ↗ Fünfte Buch des Sozial­gesetz­buchs (SGB V) überführt. Diese Neuordnung beinhaltete auch die Neugrün­dung des Medizini­schen Dienstes der Kranken­versicherung (MDK), dem sozia­lmedizi­nischen Beratungs- und Begut­achtungs­dienst der Kranken­versicherung.

Mit der Gesundheitsreform von 2003 trat dann am 1.1.2004 das Gesetz zur Moderni­sie­rung der gesetz­lichen Krankenversicherung (GMG) in Kraft, welches seitdem durch weitere Gesund­heits­reformen und Gesetze geändert, bzw. ergänzt wurde.

Anmerkung: Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), die seit 1971 jährlich das "Wort des Jahres" kürt, verlieh "Gesundheits­reform" bereits 1988 diesen Titel. Ausgewählt werden dabei Wörter von Themen, die besonders im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion stehen.

Beiträge zur gesetz­lichen Kranken­versicherung

Beitäge zur gesetzlichen Krankenversicherung müssen alle sozial­versicherungs­plichtigen Beschäftigten und auch Rentner zahlen, sofern ihr Einkommen nicht eine Grenze überschreitet, ab der sie die Möglichkeit zum Wechsel in die private Kranken­versiche­rung haben.

2005

Am 1.7.2005 fiel, nach dem GMG, die bis dahin gültige paritätische Beitrags­zahlung zur gesetz­lichen Kranken­versicherung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern von je 50%. Vom jeweils gültigem Beitragssatz hatte der Arbeitnehmer nun einen Sonderbeitrag von 0.9% zu zahlen. Der restliche Beitrag wurde wieder 50/50 durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber getragen.

2009

Mit der Gesundheitsreform von 2007 änderte sich am 1.1.2009, nach dem GKV-Wettbewerbs­stärkungs­gesetz (GKV-WSG), die Finanzierung der gesetzlichen Kranken­kassen. Seitdem werden die Beiträge an die Kassen von diesen an einen Fonds, dem sog. "Gesundheits­fonds" weitergeleitet. Aus diesem Fonds erhalten die Krankenkassen einen festen Betrag je Versichertem, sowie einen Risiko­zuschlag, für dessen Höhe das Alter, das Geschlecht und Krankheits­merkmale ausschlag­gebend sind, zurück.

Dazu änderte sich auch die Zuständigkeit zur Festsetzung des Beitrags­satzes. Bislang legten die einzelnen Kranken­kassen die Höhe ihrer Beitrags­sätze selber fest. Mit Einführung des Gesund­heits­fonds wurde ein bundes­einheit­licher Beitragssatz für alle Kranken­kassen eingeführt, der jeweils von der Bundes­regierung festgesetzt wird. Die Mehr­belastung der Arbeit­nehmer um 0,9% gegenüber den Arbeit­gebern blieb erhalten.

Reichten die Zahlungen aus dem Fonds einer Krankenkasse nicht aus um ihre Kosten zu decken, durften sie einen pauschalen Zusatzbeitrag direkt vom Versicherten erheben.

2011

Seit einer weiteren Gesund­heits­reform 2011 waren Minijobber, Arbeits­losengeld-II-Empänger, Sozial­hilfe­empfänger, behinderte Menschen, Wehr- und Sozial­dienst­leistende, sowie Auszubildene mit einer Auszubil­dendenver­gütung bis 325€ von diesem Zusatzbeitrag befreit.

2015

Am 01.01.2015 wurde die Beitrags­verteilung wieder neu geregelt. Der Sonder­beitrag für Versicherte von 0,9% entfiel. Ein Sockel­beitrag wird 50/50 von Arbeit­nehmer und Arbeit­geber getragen. Die mögliche, pauschale Zuzahlung der Versicherten wurde durch eine mögliche Zuzahlung der Versicherten in Abhängigkeit von ihrem Einkommen bis max. 1,3% ersetzt.

2019

Am 18.10.2018 beschloss der Bundestag das GKV-Versicherten­entlasungs­gesetz (GKV-VEG), welches ab dem 01.01.2019 wieder eine paritätische Beitrags­aufteilung vorsieht. Die erhobenen Zusatz­beiträge werden nicht mehr allein durch den Arbeitnehmer, sondern, genau wie der Sockel­beitrag, zur Hälfte auch durch den Arbeitgeber getragen. Eine Erhöhung der Zusatz­beiträge durch eine GKV wurde erschwert.

Zuzahlungen

Die gesetzliche Krankenversicherung ist zu einer Übernahme der Behand­lungs­kosten im Falle einer Krankheit verpflichtet, wobei es allerdings Einschränkungen gibt.

Seit 2004 sind die Kosten für nicht rezeptspflichtige Medikamente, Fahrtkosten zu ambulanten Behand­lungen und Kosten für Sehhilfen komplett selber zu tragen.

Die Zuzahlung für ein rezeptpflichtiges Medikament beträgt grundsätzlich 10%, mindestens aber 5 und maximal 10€ (ausgenommen für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre). Rezept­plichtige Medikamente, die einer besseren Lebensführung dienen, müssen selber getragen werde. Hierunter fallen auch die Medikamente gegen Haarausfall.

Bei Heilmitteln, zu denen auch die Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie gehören, sind 10% der Kosten selber zu tragen. Hierzu kommen dann noch 10€ je Verordnung.

Bei einer stationären Behandlung im Krankenhaus fällt ein Eigen­anteil von 10€ je Tag an. Diese Zuzahlung ist auf 28 Tage pro Jahr begrenzt.

Praxis­gebühr

Mit der Einführung des GMG 2004 wurde auch die Einführung der sog. "Praxisgebühr" beschlossen. Diese betrug 10€ pro Quartal für alle volljährigen gesetzlich Versicherten für ambulanten ärztlichen, zahn­ärztlichen oder psycho­therapeutischen Behandlungen. Die Gebühr entfiel bei einem Facharzt, wenn eine Über­weisung vom Hausarzt vorlag.

Sie wurde zum 1.1.2013 wieder abgeschafft.

Belastungs­grenzen

Damit bei den Zuzahlungen für Heil- und Hilfsmittel keine finanzielle Über­belastung droht, gibt es Belas­tungs­grenzen. Die Zuzahlungen sind jährlich auf 2% des Jahres­einkommens (Familien­brutto­einkommen) begrenzt. Bei chronisch Kranken (s.u.) liegt die Belastungs­grenze bei 1%, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre sind von Zuzahlungen befreit.

Chronisch Kranke

Als schwerwiegend chronisch krank gilt man, wenn man mindestens einen Arztbesuch pro Quartal wegen derselben Krankheit wenigstens ein Jahr lang nachweisen kann und zusätzlich eines der folgenden Kriterien erfüllt:

  • Pflegebedürftigkeit des Pflegegrads 3 oder höher (früher Pflegestufe II oder III)
  • Ein Grad der Behinderung (GdB) bzw. eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 60%
  • Die Notwedigkeit einer kontinuierlichen medizinischen Versorgung (ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln), ohne die, nach ärztlicher Einschätzung, eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität zu erwarten ist

Apotheken im Internet

Mit der Reform von 2004 wurde auch der Versandhandel mit rezept­pflichtigen Medika­menten erlaubt. Versand­apotheken müssen dabei die Zuzahlungen genauso wie die örtlichen Apotheken erheben. Es war ihnen aber verboten, Rabatte auf Zuzahlungen und verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel zu gewähren.

In seiner Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH, C-148/15, 19.10.2016) diese Preisbindung für EU-Ausländische Versandapotheken gekippt, da diese gegen den freien EU-Warenverkehr verstößt.

EU-Ausländische Versandapotheken können für rezeptpflichtige Medikamente also Boni gewähren. Vergleicht einfach mal die Preise - achtet aber auch auf Versandkosten.