Drei Tage im Januar

Anmeldung und Aufnahme

Um 7.30 Uhr holen mich meine Freundinnen Dinah und Ute zum gemeinsamen "Galgenfrühstück" ab. Erstaunlicherweise habe ich sogar noch einigermaßen Appetit. Derart vorbereitet fahren wir rüber zur Kölner Uniklinik und sehen das furchteinflößende Bettenhochhaus vor uns aufragen. Auf mich macht es nicht mehr ganz den Eindruck, bedingt durch die vielen Vortermine. Erste Anlaufstelle: Zentrale Patientenanmeldung, Nummer ziehen und 5 Minuten warten, die Nervosität steigt. Ich werde an einen Schalter gebeten und lege meinen, noch auf den männlichen Namen lautenden Patientenausweis vor. Die Formalitäten sind relativ schnell erledigt, die Sachbearbeiterin spricht mich jedoch mit Herr S an, grummel; daß sollte sich im Verlauf des Tages noch einige Male wiederholen.

Zurück bei meinen Mädels gehts hoch auf die 18. Etage, Urologie. Wieder Anmeldung, guten Morgen Frau S. Eine halbe Stunde warten, meine Begleiterinnen reißen Witze, für die ich aber nicht mehr sonderlich empfänglich bin. Die Nervosität ist auf dem vorläufigen Höhepunkt. Endlich fällt der Startschuß, ich bekomme von der Schwester mein Zimmer gezeigt und verabschiede mich fürs erste von Dinah und Ute. Ich habe mich gerade umgezogen (Jogginganzug) und ein paar Sachen aus und eingeräumt, gehts auch schon los. Blutabnahme für Gerinnungsfaktor, Urinprobe.

Dann beginnt die Odyssee durch die interdisziplinäre Welt einer Großklinik. Erste Station: EKG. Wieder ein Warteraum, wieder Herr S bitte in Raum soundso. Keiner der anderen Anwesenden scheint die falsche Anrede wahrzunehmen. Die Sache ist schnell vorüber und mit Diagrammen beladen gehts wieder in die 18. Unterwegs begegne ich dem Leiter der Dermatologie, bei dem ich wegen meines Haarausfalls auch schon mal in der Sprechstunde war, allerdings in der männlichen Rolle. Er scheint mich nicht zu erkennen. Zwischendurch Blutdruck messen, ich meine zwar relativ ruhig zu sein, aber der Körper spricht eine andere Sprache: 160.

Nächstes Ziel: Thoraxröntgen, ich weiß zwar nicht wozu, aber wieder Aufzug fahren, Wartezimmer brechend voll, nach 15 Minuten Herr S bitte in Kabine A. Oberkörper freimachen und Halskette ablegen. Die Ärztin wirft einen kurzen Blick auf den Busen, sagt aber nichts. Zurück auf der 18 gibt es Mittagessen, ich habe wirklich Hunger und es bleibt nichts übrig. Es geht weiter mit einer Sonographie der Nieren, Blase und Prostata. Der Pfleger meint, ich hätte Nieren wie ein junger Hirsch. Während ich noch nach der weiblichen Variante von Hirsch suche, müßte Hirschkuh sein, schon wieder Blutdruckmessen, diesmal 150. Inzwischen ist es 15 Uhr, und die ärztlichen Vorbesprechungen beginnen. Erstes Date: Anästhesist mit Kollege, ich entscheide mich für Spinalanästhesie. In der Folge erscheint ein weiterer Arzt und befragt mich nach meinen Medikamenten und führt eine Anamnese durch.

In einer ruhigen Minute rücke ich mir einen Stuhl ans Fenster und genieße die grandiose Aussicht aus etwa 90 m Höhe. Mein Zimmer geht nach Westen, wir haben einen superschönen Tag in Köln und die Sonne scheint voll herein. Im Radio läuft gerade "Inner Smile" von Texas und zusammen mit der Sonne und meiner Stimmung sind die aufkommenden Emotionen fast zuviel. Nächster Termin: Vorbesprechung mit dem Operateur, Dr. Klotz, ein bißchen Smalltalk. Wirkliche Detailfragen der OP werden danach mit dem Stationsarzt abgeklärt. Inzwischen ist es 17 Uhr und ich habe Ruhe, versuche etwas zu lesen. Um 18 Uhr gibts Abendessen, wieder großen Hunger, alles weg und noch nicht satt.

Gegen 19 Uhr kommen Dinah und Ute wieder und wir fahren runter ins Cafe, noch was essen. Ich merke jedoch, daß ich dem Gespräch zunehmend schwerer folgen kann und will, jede Faser meines Körpers ist auf den morgigen Termin gerichtet: Nr. 2, ca 10 Uhr. Eine Stunde später sind die Beiden wieder weg, ich dusche und wasche die Haare noch mal, frau will schließlich schön für die OP sein. Rasieren muß ich mich untenherum selbst, ich lasse die Schamhaare bis zwei Zentimeter über der Peniswurzel stehen. Das ganze gelingt, ohne die OP vorwegzunehmen. Wieder Blutdruckmessen, immer noch zu hoch, Thrombosespritze. Die folgende Nacht wird eine der schimmsten in meinem Leben, wenns hoch kommt vielleicht eine halbe Stunde geschlafen. Die Nachtschwester war bestimmt sechs Mal im Zimmer, vermute sie wollte nachsehen, ob ich noch nicht getürmt war.

Mittwoch

Ich habe mir den Wecker für 6 Uhr gestellt, da bereits um 7 Uhr Visite ist und nicht vorher geweckt wird. Zudem wollte ich mich zuvor rasieren (Epi leider noch nicht abgeschlossen) und ein bißchen frisch machen. Visite verläuft ereignislos, allgemeines Händeschütteln, Glückwünsche. Ich bekomme endlich diese unendlich schicken Thrombosestrümpfe ausgehändigt, die mich nun bis Freitag Morgen begleiten werden. Frühstück fällt für mich flach. Um 8.30 Uhr halte ich es einfach auf dem Zimmer nicht mehr aus, ziehe einen Morgenmantel übers Nachthemd und wandere wie ein gereizter Tiger durch die Station. Um 9.30 Uhr ist endlich soweit. OP-Hemdchen anziehen und Slip aus, Tabletten mit einer scheußlich schmeckenden Flüssigkeit geschluckt. Warten auf Wirkung, scheinbar passiert nichts.

Um 10 Uhr geht die Fahrt los, wieder Aufzug, runter in die Chirurgie, endlich mit Frau S begrüßt. Ich habe den Eindruck, das Ganze nur noch wie durch Watte mitzubekommen. Umbetten auf den kalten, sterilen OP-Tisch, die Schwester deckt mich gleich mit einem angewärmten Tuch zu und packt meine langen Haare in eine Haube. Es geht weiter in den Vorbereitungsraum, ich sehe den Anästhesisten wieder. Auf die rechte Seite drehen, Beine etwas anhocken, die Spinalanästhesie war eine Sache von ein paar Minuten. Meine Sorgen, die ich mir wegen der negativen Reaktionen meiner Schwester auf diese Narkosemethode gemacht habe, waren umsonst. Punktieren einer Vene auf dem Handrücken. Das letzte, woran ich mich bewußt erinnern kann war, daß der Anästhesist mir noch ankündigte etwas zu spritzen, ich habe nicht einmal die beginnende Lähmung der Beine mitbekommen, so schnell war ich weg.

Ich hatte mich ja für die Spinalanästhesie entschieden, um etwas von der OP mitzubekommen, aber das einzige Erinnerungsfragment, das mir geblieben ist, ist das eines Schmerzgefühls. Ich erblickte vor mir diese Tuchwand, die einen direkten Blick auf das OP-Gebiet verhindern soll und fühlte, wie etwas im linken Leistenkanal  nach oben kam. Ich muß wohl einen Schmerzlaut von mir gegeben haben, jedenfalls war ich Bruchteile später in Tiefschlaf und kam erst zwei einhalb Stunden später im Aufwachraum wieder zu mir. Das Brummen der automatischen Blutdruckmessung weckte mich, ich lag schon wieder in meinem eigenen Bett und war zusätzlich mit EKG verkabelt. Ich hatte mir das Gefühl der gelähmten Beine schlimmer vorgestellt, aber sie waren einfach nicht da. Nach einer halben Stunde Muße, in der ich mir das Treiben, Kommen und Gehen von Betten in diesem bestimmt 200 Quadratmeter großen Aufwachraum ansehen konnte, wurde ich selbst wieder auf mein Zimmer gebracht.

Ich war mehr als 4 Stunden unterwegs gewesen, natürlich das Mittagessen verpaßt und hing schon an der zweiten Literflasche Infusionslösung. Nach der dritten reichte es dann und ich bekam langsam Appetit. Die Schwester fand dann auch meine schön zusammengerollte Drainage aus dem Hodensack unter der Bettdecke und hing sie ans Bett. So langsam begannen sich meine unteren Extremitäten wieder zu melden und von den Zehen aus kehrte über Stunden das Gefühl wieder zurück. Allmählich fing meine Blase an, sich bemerkbar zu machen, obwohl ich den ganzen Tag noch nichts getrunken hatte. Ein erster Blick unter die Decke ergab eine unangenehme Überraschung, ich war total rasiert und der Verband ging über den Penis, sah irgendwie wie bei der gaOp aus. Mit Hilfe des Pflegers und nach einigen schmerzhaften Augenblicken gelang es dann doch den Penis soweit freizulegen, daß ich in eine Flasche urinieren konnte. Die Ausbeute ließ sich sehen, mehr als 600 ml.

Im Laufe der nächsten drei Stunden lösten sich alle Anspannungen der letzten Wochen. Obwohl ich nicht nahe am Wasser gebaut habe, mußte ich minutenlang heulen. Das Glücksgefühl machte mich fast wahnsinnig.

Inzwischen waren auch Ute und Dinah wieder da. Erste Glückwünsche zur gelungenen OP. Jetzt stand das erste Aufstehen an und der Pfleger spritzte mir ein eiskaltes Gel auf den Rücken, ich mußte erst mal nach Luft schnappen und mein Kreislauf ging schlagartig hoch. Erste Schritte waren zwar etwas wackelig, klappten dann aber immer besser. Das Abendessen sah zwar lecker aus, aber nach der ersten Scheibe Brot war der Appetit verflogen und mir war leicht flau. Also erst mal nur trinken. Gleichzeitig bzw. nacheinander kamen dann noch meine Schwester, Mutter und Claudia/Achim vom Volleyballverein.

Ziemlich groggi von dem ganzen Drum und Dran und den sich langsam einstellenden Schmerzen versuchte ich mich auf die Nacht einzustellen. Ich ließ mir ein leichtes Schmerzmittel und ein Kissen als Zwischenlage für die Knie geben und nach der obligatorischen Thrombosespritze versuchte ich zu schlafen. Ich fürchte nur unwesentlich mehr als in der vergangenen Nacht geschlafen zu haben. Irgendwann wurde ich wach, als die Nachtschwester sich mit Taschenlampe bewaffnet an der Saugung der Drainage zuschaffen machte. Ich machte mich bemerkbar, schaltete das Licht ein und wir unterhielten uns noch ein wenig. Ein bißchen schlafen. Ich war froh, als die Nacht vorbei war.

Donnerstag

Um 6 Uhr wieder wach, rasieren (die Epi), frisch machen und für die Visite präparieren. Mir wird eröffnet, daß ich bei gutem Heilungsverlauf schon morgen entlassen werden soll. Beim Frühstück Riesenappetit, alles verputzt. Verbandswechsel mit dem stellvertretenden Leiter der Klinik. Ich stelle mich auf einige unangenehme Minuten ein. Übernacht hatte sich der Schlauch zur Drainage mit dieser unbeschreiblichen Flüssigkeit gefüllt, die jede von euch kennt, die so was schon hinter sich hat. Der Verbandswechsel war schon recht schmerzhaft, da die Klebestreifen doch sehr fest an der empfindlichen Scrotalhaut hafteten. Die Härte war aber die Drainage. Sie war versehen mit einer Art Zugentlastung aus einem Stück chirurgischen Drahts, mehrfach um den Schlauch gewickelt und nach Ohrhängermanier in die Haut des Hodensacks gehängt. Ich war jetzt auf alles möglich eingerichtet, aber nach zweimal ein- und ausatmen war das Ding schmerzlos draußen.

Der Rest des Vormittags war angefüllt mit telefonieren, es war mehr los als bei mir im Büro. Mittagessen, wieder Riesenappetit. Endlich raus aus dem OP-Hemd und in mein schönes Nachthemd. Am frühen Nachmittag kommen Christiane und Matthias vom Badmintonverein. Sie haben einen schönen Strauß mitgebracht und sind wirklich superlieb zu mir. Christiane ist der erste Mensch, den ich als Frau kennengelernt habe und sie gibt mir das tolle Gefühl Frau zu sein. Später lassen sich noch mal Ute und meine Mutter sehen. Bei der Abendvisite wird mir definitiv mitgeteilt, daß ich wegen der guten Wundheilung bereits morgen entlassen werde. An dieser Stelle mal ein Wort zu Wobenzym N. Ich habe diese hochdosierten Enzyme bereits eine Woche vor der OP begonnen einzunehmen. Diese Nacht kann ich endlich gut schlafen und bin entsprechend erholt. Nein, ich habe es nicht vergessen, vorher gabs natürlich wieder die geliebte Thrombosespritze (Heparin).

Freitag

Motiviert durch die bevorstehende Entlassung schon wieder um 6 Uhr wach und gestylt. Bei der Visite wird noch einmal der gute Verlauf der OP betont. Frühstücken und zusammenpacken. Schminken und zurechtmachen. Warten auf den letzten Verbandswechsel im Krankenhaus. Es wird noch mal etwas unangenehm und ich bekomme ein deutlich kleineres Pflaster. Endlich aus den Thrombosestrümpfen und in die Strumpfhose, was allerdings zu einer akrobatischen Höchstleistung entartet, da die Beweglichkeit aufgrund der Schmerzen doch recht eingeschränkt ist. Herzliche Verabschiedung von der Stationsschwester und dank im Namen ihrer Kolleginnen und Kollegen, die alle supernett und freundlich waren. Um 9.30 Uhr holt mein Vater mich ab und bringt mich nach Hause. Dort angekommen stelle ich fest, daß ich den Blumenstrauß vergessen habe. Flugs auf der Station angerufen, in die Straßenbahn gesetzt und wieder vorbei. Großes Hallo auf der Station, ob ich denn schon wiederkommen wolle. Die beiden jungen Frauen strahlten mich an, sie hätten das Zimmer noch so gelassen. Beim Verlassen begegnete mir Dr. Klotz. Noch mal eine herzliche Verabschiedung und er meinte, ich könne ihn ja in drei, vier Wochen wegen meiner gaOp ansprechen. Wieder zu Hause angekommen, erst mal ein paar Stunden aufs Bett gelegt, zur Ruhe gekommen.

Resümee

Wie sieht es jetzt, fünf Tage nach der OP aus? Schon im Krankenhaus bemerke ich ein starke nächtliche Schweißbildung, recht unangenehm, muß wohl mit der hormonellen Umstellung zusammenhängen. Sitzen und laufen geht schon wieder ganz gut. Der Hodensack ist noch immer mit zwei, allerdings schon deutlich kleiner gewordenen Hämatomen gefüllt und leuchtet in allen Farben des Spektrums. Die Blutergüsse gehen bis zum After. Die Länge der Naht am Scrotum beträgt gut 3 cm. Die Fäden werden sich in einiger Zeit von selbst auflösen und es beginnt bereits zu jucken. Die Naht selbst sieht etwas frankensteinmäßig aus, bin auf die Narbe wirklich gespannt. Die Leistenkanäle selbst schmerzen nicht mehr, allerdings sind die Ausgänge über dem Schambein immer noch stark geschwollen und sehr druckempfindlich. Auf der Penisunterseite bis zu beiden Seiten sind die oberen Hautschichten praktisch gefühllos, werde das bei der Nachuntersuchung mal ansprechen. So gesehen hat auch ein "kleiner" Eingriff schon ganz schöne Auswirkungen.

Ein kurzer Nachtrag

Zweieinhalb Wochen nach der OP stellt sich die Situation wie folgt dar: Alle Schwellungen sind abgeklungen und der Bereich über dem Schambein kaum noch druckempfindlich. Die OP-Narbe ist praktisch kaum mehr zu erkennen, nur die Haut in diesem Bereich etwas heller und weicher als in der Umgebung. Das nächtliche Schwitzen ist fast weg. Sehr interessant ist die veränderte Wirkung äußerlich zugeführter Hormone. Ich nehme seit 4 Monaten zyklisch Utrogest (natürliches Progesteron) in einer Dosierung von 300 mg/täglich für 12 Tage im Monat. Bisher konnte ich nach der Einnahme 2-3 Stunden vor dem Zubettgehen nie eine Wirkung verspüren, auch wenn in den Nebenwirkungen Müdigkeit angegeben wird. Diesmal setzte etwa zwei Stunden nach dem Schlucken eine derartige Schläfrigkeit ein, das ich nur noch mit einiger Mühe mit unsicheren Beinen das Bett erreichen konnte. Ich habe diesen Effekt bisher jedes Mal festgestellt, so daß ich von einer veränderten Toleranz gegenüber Progesteron ausgehen muß.