Betroffene und Partner
Am 31.10.03 war "Betroffene und Partner" das Thema unseres Gruppenabends.
An diesem Abend waren vier Partnerinnen von Betroffenen anwesend. Nach der üblichen Vorstellungsrunde stellten wir fest, dass etwa die Hälfte der Anwesenden in einer Partnerschaft lebt.
Es standen u.a. folgende Fragen im Raum, die wir versuchen wollten zu beantworten:
- Welche Probleme treten zwischen Partnern auf, die mit Betroffenen zusammenleben?
- Muss die Situation in einer Krise enden?
- Muss die Partnerschaft zerbrechen?
- Wenn ja, was sind die Gründe?
- Welche Voraussetzungen sind notwendig, um zusammenzubleiben?
Es gibt unterschiedliche Zeitpunkte, wann sich Menschen ihrer Transsexualität bewusst werden und wann sie in einer Partnerschaft zum Vorschein kommt. Dazu gehören unter anderem die zerstörte Hoffnung der Betroffenen, dass, durch eine Partnerschaft und Heirat, die Transsexualität "verschwindet", oder das Bewusstwerden eines Betroffenen seiner Transsexualität in einer Beziehung.
Die Betroffenen müssen sich darüber klar werden und eingestehen, dass sie sich ihre Transsexualität nicht ausgesucht haben und dies nicht einfach nur mit einem egoistischem Wunsch zu vergleichen ist, unter dem der Lebenspartner leidet. Dieses müssen sie versuchen ihm beizubringen, was sicherlich nicht leicht ist.
Wird die Transsexualität offenbart, steht die Partnerschaft natürlich unter einer starken Belastungsprobe.
Je später Betroffene in einer Partnerschaft sich zu ihrer Transsexuälität bekennen, desto geringer ist die Gefahr, dass, aufrund eines zu kurzen, gemeinsamen Lebens, mit weniger erreichten Zielen und Interessen, die Partnerschaft stirbt. Dazu gehören die Kinder, der soziale Status, Hobbys und andere gemeinsame Interessen. Das kann aber nicht heißen, dass die Betroffenen ihr wahres Ich verschweigen sollen. In einer Partnerschaft sind Offenheit und das gegenseitige Vertrauen auch bei schwierigen Situationen von besonderer Bedeutung. Die Partner bemerken sowieso, dass etwas mit den Betroffenen nicht stimmt, wodurch die Beziehung stark belastet wird und ebenfalls zerbrechen kann. Die Partner haben auch ein Recht auf Ehrlichkeit.
Ebenso entsteht eine starke Belastung der Partnerschaft dadurch, dass sich die Betroffenen nur mit dem TS-Thema beschäftigen und absolut blockiert sein können. Eventuell sind manche nicht mehr in der Lage, den täglichen Anforderungen in der Familie, dem Beruf und der Freizeit nachzukommen.
Die Partner müssen die Betroffenen häufig wieder auf den Boden zurückholen, weil manchmal die TS-Entwicklung zum Selbstläufer wird. Dazu gehören auch die änfänglichen Übertreibungen aus Unwissenheit, wie etwa die Wahl der Kleidung, Art des Schminkens, usw. Hier kann ein verständnisvoller Partner jedoch so manche Entgleisung verhindern.
Es muss viel und ehrlich miteinander geredet werden. Es werden zwar immer offene Fragen im Raum stehen, die die Betroffenen aber meist selber nicht beantworten können.
Wir sind uns alle einig gewesen: Einen Partnerschaft hat nur die Change weiter zu bestehen, wenn in der Partnerschaft der Mensch im Vordergrund steht. So können aus Mann und Frau Freundinnen oder Freunde werden, wobei aber die Sehnsucht nach Zärtlichkeit in der Beziehung auch befriedigt werden muss und nicht zu kurz kommen darf.
Die Lebenspartner müssen ihr eigenes, freies Leben führen können (Hobbys, Freunde). Dazu gehört ebenso auch manchmal eine Pause von der ständig anstehenden TS-Thematik.
Die Betroffenen müssen ihren Partnern Zeit geben, ihrer Entwicklung folgen zu können, zumal diese Entwicklung und das zu erreichende Stadium (Hormontherapie, GA-OP) nicht abzusehen sind. Dadurch, dass die Zukunft so unklar ist, wissen die Partner natürlich auch nicht, was in der Zukunft auf sie zu kommt.
Teilweise werden Grenzen abgesteckt, die aber, wenn der Mensch in der Partnerschaft im Vordergrund steht, eventuell höher gesetzt, oder sogar ganz aufgehoben werden.
Ein weiteres Thema, welches aber auf Grund der schnell voran schreitenden Zeit nur kurz angesprochen wurde,
ist die Rolle der Kinder in den betroffenen Familien.
Sicherlich ist die Art der Akzeptanz der Situation vom Alter der Kinder abhängig. Die eigenen Kinder können
viel akzeptieren, wenn es nur keine Trennung der Familie bedeutet. Das hat auch seine Gültigkeit für Kinder,
die schon längst aus dem Haus sind und ihr eigenes Leben führen. So kann z.b. aus dem Vater die "Gisela",
oder aus der Mutter der "Walter" werden. Für die Betroffenen waren und werden die eigenen Kinder immer
ihre Kinder bleiben.
Anmerkung: siehe auch Coming Out (Die Partnerin, der Partner)