Wie sag ich es den anderen?

Verdrängen hilft nicht

Da die meisten Transsexuellen Angst haben, sich privat, sozial und finanziell zu verschlechtern, schieben sie ihr Coming Out oft jahrelang vor sich her und versuchen, ihre Identitätsprobleme zu verdrängen: Die einen stürzen sich in die Arbeit, die anderen beruhigen sich mit Alkohol. Manche gewöhnen sich ungesunde Eßgewohnheiten an, wieder andere glauben, daß sich durch Liebe, eine Ehe und das Kinderkriegen alles regeln wird.

Auch wenn es in den Lebensläufen einiger Transsexueller immer wieder mal Pausen gibt, in denen nicht alle Gedanken und Gefühle um das eigene Geschlecht kreisen, läßt der Leidensdruck im allgemeinen niemals vollkommen nach. (Aus: Mann oder Frau von Karin Hertzer)

Programm

Am 10. und 11. Januar trafen sich 10 Teilnehmerinnen, unter der Moderation von Dipl.-Psych. Bernhard Breuer, zu einem Wochenend-Rollenspielseminar mit der Thema "Coming-Out - Wie sag' ich es den anderen?".

Nach dem Erhalt der Zimmerschlüssel und unserem "Einzug", ging es auch sofort los:

  • Vorstellungsrunde, gegenseitiges Kennenlernen und Erwartungen
  • Grundsätzliches zu Thema Coming-Out/Outing
  • Rollenspiel: Wie sag ich es
    • meiner Familie
    • meinen Freunden
    • meinem Arbeitgeber
  • Rollenspiel: Umgang mit Blicken, Anmache und Pöbeleien
  • Besprechung offener Punkte
  • Auswertung und Feedback

Definition

Coming-Out: Der Prozess zum Bekenntnis der eigenen Transsexualität
Outing: Das unfreiwillige, öffenliche Enttarnen der eigenen Transsexualität

Voraus­setzungen

Es vergehen meist Jahre, bevor Transsexuelle und Transvestiten sich über die eigenen Gefühle klar werden. Dieses "innere" Coming-Out ist mit der eigenen Akzeptanz und Selbstbewustsein eine Voraussetzung für das Coming-Out in der Umwelt. Erst wenn das eigene Selbstverständnis und das Selbstbewustsein stark genug sind, sollte das Coming-Out stattfinden, um auch mit negativen Reaktionen, wie Ablehnung, Totschweigen oder sogar Aggressionen, klarzukommen.

Jeder Mensch bringt, aufgrund seiner Biographie, andere Möglichkeiten für ein Coming-Out mit sich. Es muss, je nach Vorbedingungen, eine Entscheidung getroffen werden. Eine Entscheidung führt von einem undefinierten, zu einem herbeigesehnten, definierten Zustand. Es muss allerdings beachtet werden, dass manchmal die Zeit dafür noch nicht reif ist. Das Coming-Out sollte nicht zu früh stattfinden, sonst könnte eine mögliche Reaktion sein: "Was willst Du von mir? Wenn Du mir nicht sagen kannst wer und was Du bist, kann ich Dir nicht helfen und Dich auch nicht richtig ansprechen und mit Dir umgehen."

Vorbereitung

Wenn wir für ein Coming-Out bereit sind, schreit alles in uns, es allen anderen Menschen mitzuteilen, wer und was wir wirklich sind. Trotzdem müssen wir überlegt an diesen Schritt herangehen und uns folgende Fragen beantworten können:

  • Wem soll und muss ich mich outen?
  • Wieviel soll ich dem einzelnen erzählen und erklären?
  • Gibt es Möglichkeiten für ein schrittweises Coming-Out?
  • Welche Vorbereitungen kann ich treffen, mit anderen ungestört und ernsthaft zu sprechen?
  • Welche Hilfe kann ich anbieten, mit meinem Coming-Out klarzukommen (Bücher, Filme, Intenet)?
  • Wie gehe ich mit Kritik und Unverständnis um?

Rollenspiel

Nach der Theorie folgte die Praxis. Es sollten bereits erlebte oder auch mögliche Szenen aus den Leben der Anwesenden gespielt werden. Die einzelnen Szenen sind teilweise dann auch in variiertem Ablauf und mit vertauschten Rollen wiederholt worden.

Die Szenen waren:

  • Coming-Out beim Arbeitgeber
  • Coming-Out bei den Schwiegereltern
  • Reaktion auf Blickkontakt von Fremden
  • Reaktion auf Pöbeleien von Jugendlichen auf der Straße
  • Coming-Out bei einer Tante, die man jahrelang nicht mehr gesehen hat

Jeweils nach den einzelnen Szenen haben wir diese besprochen. Wir, die Spielenden und Zuschauer, sprachen über unsere wahrgenommenen Gefühle, Gestik, Mimik und das Verhalten, was sehr aufschlußreich war, da alle Anwesenden sehr ernst "bei der Sache" waren. So konnten wir feststellen, wie wir zu einem Coming-Out/Outing in einer bestimmeten Situation standen und wie bereit wir dafür sind.

Resümee

Die meisten von uns sind ohne eine bestimmte Erwartungshaltung und ohne Rollenspielerfahrung zu diesem Seminar gekommen, und wir haben uns gewundert, wie sehr die Emotionen in den verschiedenen Szenen zum Ausdruck gekommen sind.
Die Anwesenden, die im Coming-Out Prozess stecken haben sich weitere Anregungen für ihr weiteres Vorgehen geholt und konnten vergleichen, wie andere mit ähnlichen Situationen umgehen. Diejenigen, bei denen dieser Schritt noch kein Thema ist, konnten sich Vorstellungen vom zu Erwartenden machen. Insgesamt haben sich alle Anwesenden sehr positiv über das Wochenende geäußert, auch wenn, wie schon erwähnt, zwischendurch die Emotionen "aufgewühlt" sind und das Spielen und die Kommunikation auch manchmal anstrengend waren. Dieses Wochenende war außerdem eine schöne Möglichkeit, dass sich die Betroffenen, die sich teilweise bereits von den Gruppenabenden kannten, noch näher kennenlernen.

Durch die wertvollen Erfahrungen, die wir machen konnten, ist mehrfach der Wunsch nach einer Wiederholung, und Seminaren mit anderen Themen geäußert worden (Wir wollen mal sehen, was die Zukunft bringt).

Dank

An dieser Stelle bedanken wir uns nocheinmal bei Julia, die dieses Wochenende hervorragend organisierte, bei Herrn Breuer, der uns kompetent durch unsere Ungewissheit "führte", bei Maren, die uns leiblich, köstlich versorgte, und nicht zuletzt bei der AOK Köln, die uns sehr kostengünstig dieses Wochenende ermöglichte.