Psychotherapeutische Begleitung

Die psychotherapeutische Begleitung hat, in Verbindung mit dem sog. Alltagstest, eine zentrale Rolle auf dem "TS-Weg".

I.d.R. ist Transsexualität ja eine Selbstdiagnose, was die Psychotherapeuten durch die Diagnose und Differentialdiagnose nach den Behandlungsleitlinien, die sich weitestgehend nach dem Diagnoseschüssel (ICD-10) richten, bestätigen können.

Die psychotherapeutische Begleitung hat weder die Aufgabe Betroffene Menschen zu bestärken, noch die Transsexualität wegzutherapieren. Sie dient ausschließlich der Sicherung der Diagnose und der Hilfestellung zur Bewältigung von persönlichen Problemen zur Findung eines lebbaren Wegs, auch im Alltagstest.

Es gibt allerdings Psychotherapeuten die versuchen (auch aus Unwissenheit), Betroffene in den Alltagstest zu zwingen. Wie diese Betroffenen allerdings ihren Weg gehen, müssen sie selber entscheiden, da sie ihr Umfeld schließlich am besten kennen. Wenn ihr in diese Situation geratet, weist euren Psychologen oder Psychiater darauf hin. Ihr müsst euren Weg finden, nicht er. Wie schon gesagt, er soll eine Hilfestellung leisten und nicht euer Leben leben.

Auch wenn nach den Behandlungsleitlinien die psychotherapeutische Begleitung eine Pflicht ist, die, wenn sie nicht erfüllt wird, später beim Medizinischen Dienst der Kranken­versicherung (MDK), zu einer Negativempfehlung für die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen führen kann, sollte das Aufsuchen eines Psychotherapeuten nicht als lästige Pflicht und das "Beweisenmüssen" der eigenen Transsexualität, sondern wirklich als Hilfestellung angesehen werden. Mittlerweile gibt es leider genügend Transsexuelle die nach der GA-OP sagten, dass sie doch besser einen anderen Weg hätten eingeschlagen sollen.

Wenn ihr euch für eine therapeutische Begleitung entschieden habt, gibt es zwei Arten von Therapeuten zwischen denen ihr wählen könnt:

  1. jemanden der mit der Materie nicht vertraut ist, was den Vorteil hat, dass ihr das Thema Transsexualität gemeinsam erarbeiten könnt
  2. jemanden der Erfahrung mit der TS-Thematik hat und euch auch über gesetzliche und bürokratische Hürden hinweghelfen kann

Wie ihr euch auch entscheidet, ihr habt in jedem Fall 5 "Probestunden", die von eurer gesetzlichen Krankenkasse bezahlt werden, bevor sie die Zustimmung für einen Antrag auf Therapie geben muss. Diese Zeit könnt ihr nutzen, auch um zu sehen, ob ihr mit dem Therapeuten "auf einer Welle schwimmt".

Auch für das "Ergattern" eines Therapieplatzes gilt ähnliches wie bei Wartezeiten bei Fachärzten: Manchmal kann die Wartezeit bis zu einem halben Jahr betragen.

Wenn der Psychotherapeut den Antrag bei eurer Krankenkasse auf eine "tiefenpsychologische Psychotherapie" (zunächst einmal ca. 30-50 Stunden) stellt, muss er darin den durch die Transsexualität hervorgerufenen Leidensdruck hervorheben. Im Gegensatz zur Transsexualität hat nur dieser Leidensdruck "Krankheitswert" und wird von den Krankenkassen getragen. Leider ist es schon passiert, dass Anträge abgelehnt wurden, weil dies nicht berücksichtigt worden ist.

Anmerkung: siehe auch Psychotherapie - Ein Überblick

Indikation zur Hormon­behandlung

Eine weitere Sache, die Ihr unbedingt im Vorhinein abklären solltet, ist, ob der Therapeut euch, nach einer angemessenen Zeit, eine Indikation zur Hormonbehandlung ausstellen wird. Wenn das nicht der Fall ist, solltet Ihr eine andere Wahl treffen, da fast alle Endokrinologen diese vor Beginn der Hormonbehandlung verlangen.

Die Indikationsstellung "transsexuelles Syndrom" zur gegengeschlechtlichen Hormonbehandlung erfolgt in Form einer schriftlichen Stellungnahme und hat zur Voraussetzung, dass der Therapeut

  • den Patienten seit mindestens einem Jahr kennt
  • die diagnostischen Kriterien überprüft hat
  • andere Krankheits-/­Störbilder (Komorbiditäten) stabilisiert, bzw. ausgeschlossen hat
  • ein krankheitswertiger Leidensdruck vorliegt
  • zu dem klinisch begründeten Urteil gekommen ist, dass bei dem Patienten die innere Stimmigkeit und Konstanz des Identitätsgeschlechts und seiner individuellen Ausgestaltung, die Lebbarkeit der gewünschten Geschlechtsrolle und die realistische Einschätzung der Möglichkeiten und Grenzen somatischer (körperlichen) Behandlungen gegeben sind und
  • dass der Patient das Leben in der gewünschten Geschlechtsrolle mindestens ein Jahr lang kontinuierlich erprobt hat (Alltagstest).

Diese Voraussetzungen sind aus den Behandlungsleitlinien, die ja keine gesetzlichen Bestimmungen sind. Entsprechend eurer "Entwicklung" kann die Indikation auch nach etwa 20 Stunden Therapie, diagnostizierter Transsexualität und einem Leben im Identifikations­geschlecht, wenigstens im privaten Umfeld (also nicht auf der Arbeit) erfolgen. Schließlich braucht man seinem Arbeitgeber z.B. keinen "Mann mit Bart im Kleid" im Betrieb zuzumuten. Ein Antrag auf Kostenübernahme der Epilation und die Epilation selber sind nun mal nicht in einem Jahr abgeschlossen.

Selbst Dr. Banaski, u.a. zuständig für Transsexuelle beim MDK-Nordrhein bis Ende 2000, hatte zugegeben, dass eine Hormontherapie bereits vor Erfüllung aller Punkte der Standards erfolgen kann, wenn die Hormontherapie den Alltagstest erst ermöglicht. Dies kann in zweifacher Hinsicht der Fall sein:

  1. Eine Epilation vor Beginn der Homonsubstitution ist nicht sinnvoll (nach Dr. Banaski im Gespräch mit Helma Katrin Alter, DGTI)
  2. Duch die psychische Angespanntheit kann der Alltagstest zur Tortur werden, was die Hormone durch Ihre Wirkung (innere Ausgeglichenheit) verhindern, bzw. lindern können.