Medizinischer Dienst (MD)
Der Medizinischer Dienst ist der sozialmedizinische Beratungs- und Begutachtungsdienst der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Er ging am 1.7.2021 aus dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) durch das ↗ Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz) vom 14.12.2019 hervor. Der MDK seinerseits wurde 1989 im Rahmen des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (GRG, 1988) gegründet und war der Rechtsnachfolger des Vertrauensärztlichen Dienstes.
Die Aufgaben des Medizinischen Dienstes sind im Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs (↗ §275, ↗ §276, ↗ §277) festgelegt. Der MD ist von den gesetzlichen Krankenkassen zur Entscheidungsfindung zur Kostenübernahme von Leistungen einzuschalten, je nach Art, Schwere, Dauer und Häufigkeit einer Erkrankung.
Bei seiner Begutachtung im Fall von Transsexualismus richtet sich der MD nach den aktuellen Behandlungsrichtlinien.
Aber: Nicht der MD entscheidet und bewilligt Anträge zur Kostenübernahme sondern die Krankenkasse. Die Krankenkasse entscheidet und bewilligt auf der Grundlage des Gutachtens im eigenen Ermessen. Somit muss letztlich auch nicht der MD, sondern die Krankenkasse ihren Bescheid und ggf. Widerspruchsbescheid z.B. in einem Sozialgerichtsverfahren vertreten. In jeden Fall habt Ihr aber das Recht, die Akten, bei einem ablehnendem Bescheid der Krankenkasse, beim MD einzusehen.
Der Medizinische Dienst ist nicht für private Krankenversicherungen zuständig, da diese in der Regel ihre eigenen Gutachter haben.
Verfahrensablauf
Wenn ihr einen Antrag auf Kostenübernahme für geschlechtsangleichende Maßnahmen (
- Hormonbehandlung
- Epilation
- Brustentfernung (Mastektomie)
- Brustaufbau (Mammaaugmentation)
- ↗ Geschlechtsangleichende Operation (GA-OP)
- Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie (Logopädie)
) bei eurem gesetzlichen Krankenversicherer stellt, wird dieser Antrag an den MD weiter geleitet (Adressen der MDs in NRW s.u.).
Wenn noch nicht alle notwendigen Unterlagen vorliegen, wird der MD diese bei euch anfordern. Liegen ihm alle Unterlagen vor, erfolgt i.d.R. eine persönliche Untersuchung. Je nach beantragter Leistung, holt er weitere interne oder auch externe Konsiliargutachten (beratende Gutachten) durch Fachärzte ein (die Kosten dieser Gutachten gehen zu Lasten des MDs). Dies gilt isb. für weitere geschlechtsangleichende Maßnahmen, wie
- Kehlkopfreduktion,
- operative Stimmlagenkorrektur
- Rippenresektion und
- Gesichtsfeminisierung.
"Diese Maßnahmen sind auch in Abgrenzung zu kosmetischen Leistungen und unter dem besonderen Aspekt des Gleichbehandlungsgebotes ggf. fachspezifisch zu bewerten. Anspruch auf geschlechtsangleichende Maßnahmen besteht nicht i.S. einer optimalen Annäherung an ein Idealbild. Die Ansprüche sind vielmehr beschränkt auf einen Zustand, der aus Sicht eines verständigen Betrachters dem Erscheinungsbild des anderen Geschlechts deutlich angenähert ist (...)."
(MDS, Begutachtungsanleitung - Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität 2020)
Sind diese Hürden genommen, ergeht eine Empfehlung an eure Krankenkasse, die letztendlich eurem Antrag zustimmt und hoffentlich nicht ablehnt.
Indikation von geschlechtsangleichen Maßnahmen
Zur Indikation jeder der o.g. geschlechtsangleichen Maßnahmen bewertet der MD die erfolgten Begutachtungen.
- Sind die Befunde und Berichte vollständig?
- Liegt die Diagnose Transsexualismus gem. ICD-10, F64.0 vor?
- Psychische Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) wurden ausgeschlossen bzw. ausreichend stabilisisiert
- Liegt ein krankheitswertiger Leidensdruck bei Transsexualismus vor?
- Psychiatrische und psychotherapeutische Mittel zur Behandlung des Leidensdrucks waren nicht ausreichend?
- Therapeutisch begleitete Alltagserfahrungen in der gewünschten Geschlechtsrolle wurden durchgeführt?
- Ist die psychiatrisch/psychotherapeutische Indikationsstellung für die beantragte Maßnahme sozialmedizinisch nachvollziehbar?
- Ist die somatisch-ärztliche Indikationsstellung für die beantragte Maßnahme nachvollziehbar und eine ärztliche Aufklärung erfolgt?
Nur wenn all diese Punkte erfüllt sind, ist die Indikation gesichert, und der MD kann eine positive Empfehlung an die GKV gegeben.
Medizinische Dienste in NRW
In Nordrhein-Westfalen gibt es aufgrund der Größe des Bundeslandes zwei Medizinische Dienste:
- Medizinischer Dienst Nordrhein
- ↗ https://www.md-nordrhein.de/
- Medizinischer Dienst Westfalen-Lippe
- ↗ https://www.md-wl.de/